14.05.2017 – Gärtringen: „Einfamilienhaus, starke Rauchentwicklung, vermutlich eine Person im Gebäude…“
so lautet am 14. Mai um 7.24 Uhr die Alarmmeldung für die Feuerwehr Gärtringen. Der Familiensonntag gestaltete sich somit für viele anders als geplant. Im Verlaufe des Einsatzes kam es zu einem offenen Dachstuhlbrand und tragischer Weise zum Tod der 89-jährigen Bewohnerin.
Die Gemeinde Gärtringen hat aktuell knapp 12.500 Einwohner, davon 1.600 im Ortsteil Rohrau. Die örtliche Feuerwehr besteht aus den beiden Einsatzabteilungen Gärtringen und Rohrau mit insgesamt 118 Feuerwehrangehörigen. In Gärtringen stehen ein KdoW, zwei LF 16/12, ein LF-KatS, ein GW-L2 (Zusatzbeladung Wasserversorgung) und ein MTW sowie in Rohrau ein LF 10, ein LF 8 und ein MTW zur Verfügung. Die Feuerwehr Gärtringen hat im Durchschnitt 50 bis 60 Einsätze pro Jahr. Mit der Nachbargemeinde Ehningen gibt es eine sehr enge Zusammenarbeit mit gemeinsamen Beschaffungen, Übungen, einem gemeinsamen Fahrzeugkonzept sowie einer abgestimmten Alarm- und Ausrückeordnung (AAO). Diese beinhaltet u.a., dass werktags bei Einsätzen tagsüber in Ehningen das zweite LF durch die Feuerwehr Gärtringen gestellt wird (Ehningen rückt mit ELW 1, LF und TM aus) und umgekehrt ab Alarmstufe 2biDL in Gärtringen und Rohrau grundsätzlich der ELW 1 der Feuerwehr Ehningen bei den Führungsaufgaben unterstützt. Weiterhin beschäftigen die Gemeinden Ehningen und Gärtringen seit 2016 gemeinsam einen hauptamtlichen, feuerwehrtechnischen Angestellten. Vervollständigt wird der Löschzug in Gärtringen durch die Drehleiter aus Herrenberg.
Brandobjekt
Das kleine Einfamilienhaus wurde 1899 erbaut und um einige Anbauten ergänzt. Die Wohnflächen (je Geschoss zwei Zimmer plus Anbau) befinden sich im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss, das Dachgeschoss ist nicht ausgebaut. Im Haus lebt mit der alleinstehenden 89-jährigen, noch rüstigen Frau ein echtes Gärtringer „Original“. Das Gebäude befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Feuerwehrhaus am Rande des dicht bebauten Ortskerns. Die Stromversorgung erfolgt über einen Dachständer.
Alarmierung
Die AAO der Feuerwehr Gärtringen sieht vor, dass unter der Woche tagsüber ab Alarmstufe 2 die Gesamtwehr alarmiert wird. Nachts und am Wochenende ist für Gärtringen ein Zugalarm hinterlegt. Gegen 7.20 Uhr bemerkten Fußgänger Brandgeräusche und eine leichte Rauchentwicklung am Gebäude. Durch Klingeln machten sie den gegenüber wohnenden, ehemaligen Kommandanten (nun Ehrenkommandanten) Willy Zinser auf den Brand aufmerksam. Dieser setzte umgehend den Notruf ab und versuchte dann, seine Nachbarin aus dem Haus zu retten. Ihm und einer kurz darauf eintreffenden Polizeistreife war es aufgrund der starken Rauchentwicklung nicht mehr möglich, in das erste Obergeschoss zu gelangen. Um 7.24 Uhr wurde die Feuerwehr Gärtringen mit der Alarmstufe 2biDL (Brand innerorts mit Drehleitereinsatz) alarmiert. Automatisch mit alarmiert wurde die Drehleiter Herrenberg und der Ehninger ELW 1. Aufgrund der Nähe zum Feuerwehrhaus waren die ersten Einsatzkräfte sehr schnell vor Ort. Es war klar, dass sich noch eine Person im Gebäude befand und der Brand auf den Dachstuhl übergriff. Aus diesem Grund wurde umgehend Vollalarm für die Gesamtwehr Gärtringen ausgelöst.
Einsatzablauf
Das erste Löschfahrzeug (Fl. Gärtringen 1/44-1) übernahm umgehend mit zwei Atemschutztrupps die Menschenrettung und den Innenangriff. Um 7.34 Uhr, also bereits zehn Minuten nach der Alarmierung, wurde die vermisste Frau in der Küche im ersten Obergeschoss gefunden. Sie wurde über den engen, steilen Holztreppenraum ins Freie gebracht und dem DRK übergeben. Leider kam für sie jede Hilfe zu spät. Der Notarzt konnte nur noch ihren Tod (Rauchgasvergiftung) feststellen. Im Innenangriff wurde im ersten Obergeschoss die Brandbekämpfung fortgesetzt und erfolgreich beendet. Der Brand hatte sich aber bereits in den Dachstuhl ausgebreitet. Der Zugang dorthin war nur über eine sehr schmale, steile Treppe möglich.
Als es zur Durchzündung im Dachbereich kam, wurde der Innenangriff aus Sicherheitsgründen abgebrochen. Die Brandbekämpfung erfolgte nun von zwei Seiten über die DLK 23-12 aus Herrenberg und den inzwischen nachgeforderten, TM 23 aus Ehningen. Dieser konnte mit dem anwesenden Bereitschaftspersonal schnell abrücken. Die kompakte Größe des Teleskopmastes erwies sich auf dem sehr engen Grundstück als großer Vorteil. Parallel zur Brandbekämpfung wurde umgehend eine zweiseitige Riegelstellung zu den dicht angrenzenden Nachbargebäuden aufgebaut. Hier kam das zweite Gärtringer Löschfahrzeug (1/44-2) zum Einsatz. Ein Übergreifen des Brandes konnte verhindert werden. Insgesamt waren fünf C-Rohre und die beiden Rohre der Hubrettungsfahrzeuge zur Brandbekämpfung im Einsatz.
Anfangs kam es zu Druck-Problemen bei der Wasserversorgung. Diese konnten durch die Entnahme aus dem 200m³ fassenden Löschwasserbehälter beim Feuerwehrhaus durch den GW-L2 (Fl. Gärtr. 1/74) behoben werden. Zur weiteren Wasserversorgung der Drehleiter wurde das LF 10 der Abteilung Rohrau (Fl. Gärtr. 2/42) eingesetzt. Bis zum Eintreffen des Energieversorgers waren die noch stromführenden, teilweise abgerissenen Leitungen eine zusätzliche Gefahr für die Einsatzkräfte. Bereits um 7.59 Uhr war das Feuer unter Kontrolle. Um 8.25 Uhr konnte die Lagemeldung „Feuer aus/ Nachlöscharbeiten“ gegeben werden. Diese dauerten bis zur Mittagszeit an. Um 17 Uhr kam es durch die Gärtringer und Ehninger Führungskräfte zu einer Nachschau. Dabei wurden noch einzelne Glutnester über den TM abgelöscht und Sicherungsmaßnahmen am Dach getroffen. Um 19 Uhr war der Einsatz komplett beendet.
Einsatzleitung
Der ELW 1 der Feuerwehr Ehningen wurde am Feuerwehrhaus positioniert. Von dort aus wurden sämtliche Maßnahmen koordiniert, der Einsatz dokumentiert und der Funkverkehr abgewickelt. Aufgrund der Enge des Raumes, des dramatischen, aber räumlich begrenzten Brandes und der zahlreichen, am Einsatz beteiligten Führungskräfte wurde auf eine Abschnittsbildung und Erhöhung der Alarmstufe verzichtet. Dem Kommandanten und Einsatzleiter, Markus Priesching, standen mit dem Herrenberger Stadtbrandmeister Jürgen Vogt, dem Ehninger Kommandanten Thomas Feuchter, seinem Stellvertreter Frank Rathgeb und den Abteilungskommandanten Andreas Gohl, Markus Gaal, Florian König, Oliver Supper sowie Frank Rothenberger eine ausgezeichnete Führungsunterstützung zur Seite. Weitere Zug- und Gruppenführer vervollständigten das Führungsteam. Der diensthabende Kreisbrandmeister Thomas Frech (Böblingen) sowie KBM Guido Plischek wurden informiert und über das Einsatzgeschehen auf dem Laufenden gehalten. Bürgermeister Thomas Riesch, Hauptamtsleiter Norbert Sünder und der Herrenberger Polizeirevierleiter Nils Junker machten sich vor Ort ein Bild des Geschehens.
Weitere eingesetzte Kräfte und Maßnahmen
Der Rettungsdienst war zur Erstversorgung mit zwölf Kräften, vier Fahrzeugen, einem Notarzt und dem Organisatorischen Leiter vor Ort. Unterstützt wurde er durch den DRK Ortsverein Gärtringen. Der OV blieb bis zum Abschluss der Nachlöscharbeiten an der Einsatzstelle. Kreisbereitschaftsleiter Rainer Kegreiß organisierte und koordinierte den Notfallnachsorgedienst zur Betreuung der Angehörigen, aber auch der Einsatzkräfte. Hier unterstützen u. a. zwei Feuerwehrkameraden aus dem PSNV-Team des Landkreises. Die Polizei war mit zehn Kräften und fünf Streifenwagen vor Ort. Vom Energieversorger wurde das Gebäude stromlos geschalten und die Verbindungsleitungen zum Dachständer entfernt. Der Bauhof übernahm die ordnungsgemäße Absperrung der Brandruine. Der Wassermeister unterstütze bei der Wasserversorgung und schieberte das Gebäude ab.
Schlussbetrachtung
Dieser Einsatz hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig ein intensives Einsatztraining und eine gute Ausbildung ist. Für einige jüngere Kameradinnen und Kameraden war es der erste Einsatz mit einem solchen Ausmaß. Durch Ruhe und klar strukturierte Befehle konnte der Einsatz, trotz aller Tragik, ohne größerer Probleme abgearbeitet werden. Bewährt hat sich auch die gute Zusammenarbeit der beiden Gärtringer Einsatzabteilungen sowie im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit die Unterstützung durch die Feuerwehren aus Ehningen und Herrenberg. Wenn man die Einsatzbilder betrachtet, kann man die Einsatzkräfte der verschiedenen Feuerwehren nicht unterscheiden. In einer gemeinsamen Beschaffungsmaßnahme waren vor einigen Jahren rund 500 Einsatzjacken für alle Kräfte gemeinsam beschafft worden. Dieses „Wir“-Gefühl war an der Einsatzstelle deutlich spürbar.
Zum Erfolg beigetragen hat auch, dass man sich unter den Führungskräften wehrübergreifend gut kennt, sich aufeinander verlassen kann und kameradschaftlich miteinander umgeht. Von Vorteil waren auch der Zeitpunkt und die räumliche Nähe des Brandobjekts zum Feuerwehrhaus. Der Tod der gut bekannten Bewohnerin hat die Kräfte nachdenklich gestimmt. Aus diesem Grund standen am Ende des Einsatzes alle eingesetzten Kräfte in einem großen Kreis zu einer kurzen Nachbesprechung zusammen. Eine weitere Nachbesprechung erfolgte eine Woche später. Hier bedankte sich der Sohn der Verstorbenen sehr emotional für den Einsatz.
Das Gebäude ist nicht mehr nutzbar. Die Kriminalpolizei und Kriminaltechnik haben direkt nach dem Einsatz die Ermittlungen aufgenommen. Die Brandursache ist noch unklar.
Insgesamt waren 90 Einsatzkräfte vor Ort. Wie gut die vielen, schwierigen Aufgaben an diesem Sonntagvormittag gemeistert wurden und wie hervorragend die Zusammenarbeit aller am Einsatz beteiligten Kräfte war, hat Bürgermeister Thomas Riesch sehr beeindruckt. Spontan wurden alle Einsatzkräfte mit ihren Familien zu einem gemeinsamen Freibadbesuch in das wunderschöne Gärtringer Freibad eingeladen.
Eingesetzte Feuerwehrfahrzeuge und Aufgaben
Feuerwehr Gärtringen
- MTW (1/19): erstes Führungsfahrzeug
- LF 16/12-1 (1/44-1): Menschenrettung, Brandbekämpfung, Riegelstellung
- LF 16/12-2 (1/44-2): Brandbekämpfung, Riegelstellung, Wasserversorgung TM
- GW-L2 Wasserversorgung (1/74): Wasserentnahme Löschwasserbehälter
- LF-KatS (1/45): Bereitstellung (Paralleleinsätze)
- LF 10 (2/42): Wasserversorgung Drehleiter, ATS-Unterstützung
- LF 8 (2/41): Bereitstellung (Paralleleinsätze)
Feuerwehr Herrenberg
- KdoW (1/10): Führungsfahrzeug
- DLK 23-12 (1/33): Brandbekämpfung
Feuerwehr Ehningen
- ELW 1 (11): Einsatzleitung
- TM 23 (36) Brandbekämpfung