27.08.2016 – Großbrand bei einem Handwerksbetrieb in Holzgerlingen
Bei einem ortsansässigen Handwerksbetrieb, einer Dach- und Fassadenbaufirma, kam es am 27. August 2016 zu einem der größten Brände in der Holzgerlinger Nachkriegsgeschichte. Neben den hochsommerlichen Temperaturen wurde insbesondere der gewaltige Löschwasserbedarf eine Herausforderung für die Einsatzkräfte. Zum wiederholten Mal kam das vom Landkreis Böblingen im Jahr 2014 eingeführte Sonderlöschmittelkonzept zur Anwendung: Durch den Einsatz von ca. 2.900 Litern des Sonderlöschmittels F500 und dessen besondere Kühlwirkung konnte ein Übergreifen der Flammen auf umliegende Industriehallen und das direkt angrenzende Wohnhaus und damit ein zusätzlicher Schaden verhindert werden.
Ausgangslage
Im Landkreis Böblingen leben mehr als 380.000 Menschen in 26 Städten und Gemeinden. Über 2.400 Einsatzkräfte sind in den Feuerwehren des Landkreises fast ausschließlich ehrenamtlich engagiert. Die Stadt Holzgerlingen mit ca. 13.200 Einwohnern unterhält eine Freiwillige Feuerwehr mit 78 ehrenamtlichen Einsatzkräften und ist ausgestattet mit sieben Einsatzfahrzeugen. Dank der guten Mannschaftsstärke und der zahlreichen Arbeitsplätze am Ort, übernimmt die Feuerwehr Holzgerlingen auch bei der Überlandhilfe für die umliegenden Gemeinden insbesondere tagsüber eine wichtige Rolle. Am 27. August 2016, herrschte ein sonniges und wolkenloses Wetter mit über 38° Celsius im Schatten. Dieser Tag war einer der heißesten Tage des Jahres 2016.
Das Brandobjekt
Das betroffene Dach- und Fassadenbauunternehmen befindet sich im Industriegebiet Buch, ca. 1,2 Kilometer von der Feuerwache entfernt. Das Industriegebiet ist geprägt durch kleine bis mittelgroße Handwerks- und Gewerbebetriebe sowie mittelständische Industrie. Direkt neben dem Brandobjekt befindet sich östlich eine große Lagerhalle eines Lagerdienstleistungsunternehmens. Zwischen den Hallen der beiden Unternehmen befindet sich eine ca. zehn Meter breite, teilweise überdachte Freifläche, die ebenfalls als Lagerfläche genutzt wird. Südlich des Brandobjekts grenzt direkt das Wohnhaus der Eigentümerfamilie an. Das renommierte Dach- und Fassadenbauunternehmen, welches seit 1988 in Holzgerlingen seinen Firmensitz hat, beschäftigt 20 Mitarbeiter. Zum Betrieb gehören eine große, zweigeteilte Halle mit rund 1.000 m² sowie mehrere Fahrzeuge und ein kleines Gasflaschenlager.
Alarmierung
Gegen 9.30 Uhr stieg am blauen Morgenhimmel über dem Industriegebiet eine dunkle Rauchsäule auf. Diese war bereits kurze Zeit später kilometerweit zu sehen. Um 9.33 Uhr erfolgte die Alarmierung der gesamten Holzgerlinger Wehr mit dem Einsatzstichwort „2bi dl“ (zweite Brandstufe innerorts, Alarmierung mit Drehleiter). Bei der Alarmierung war allerdings zuerst ein benachbarter Industriebetrieb gemeldet worden. Bereits zwei Minuten nach der Alarmierung verließ der ELW 1 mit dem Kommandanten Albrecht Schmid als Einsatzleiter das Gerätehaus. Im Minutentakt folgten die weiteren Fahrzeuge LF 16/12, TLF 16/25, HLF 20/16 sowie das LF 16-TS und etwas später auch noch die Fahrzeuge GW-Sonder und MTW. Bereits auf der Anfahrt wurde klar, dass es nicht wie gemeldet im Industriebetrieb, sondern bei dem dahinterliegenden Dach- und Fassadenbauunternehmen brannte.
Lageerkundung und Alarmerhöhung
Bei der ersten Lageerkundung, gemeinsam mit dem Inhaber des betroffenen Unternehmens, wurde ein Feuer im Bereich zwischen dem Dach- und Fassadenbauer und dem benachbarten Lagerdienstleister festgestellt. Der Brand griff zu diesem Zeitpunkt bereits auf die beiden angrenzenden Hallenteile über. Kommandant Schmid erhöhte daher um 9.39 Uhr umgehend auf „3bi“, um weitere Einsatzkräfte aus dem Landkreis zur Unterstützung anzufordern.
Die weitere Erkundung ergab, dass beide Lagerhallen enorme Brandlasten in und um die Gebäude aufwiesen. Hierzu gehörten Altfahrzeuge, größere Mengen Altbatterien und Betten sowie Holz, Bitumenrollen und Gasflaschen. Glücklicherweise konnten sich alle Bewohner bis zum Eintreffen der Feuerwehr selbstständig aus den Gebäuden retten, sodass eine Menschenrettung durch die Einsatzkräfte nicht notwendig war.
Der Einsatzverlauf
Phase 1: Brandausbreitung (9.33 – 10.45 Uhr)
Unmittelbar nach der Lagemeldung und Alarmerhöhung begannen die ersten drei Löschfahrzeuge vor Ort mit Maßnahmen der Brandeindämmung und Brandbekämpfung. Mit dem LF 16/12 wurde ein Löschangriff mit drei C-Rohren aus nördlicher Richtung gestartet, um die Brandausbreitung auf die Halle zu verhindern. Das TLF 16/25 übernahm die Riegelstellung zum Schutz des benachbarten Lagerdienstleisters, dessen Fassade bereits massiv durch Flammen beaufschlagt wurde. Weitere Unterstützung gab es von der nur kurze Zeit später eintreffenden Drehleiter (DLK 23/12) aus Böblingen sowie dem LF 16-TS aus Holzgerlingen. Das HLF 20/16 – als drittes Löschfahrzeug vor Ort – wurde südwestlich des Brandobjekts positioniert und übernahm von dort aus den Löschangriff sowie eine Riegelstellung zum Schutz des Wohnhauses. Ein Glücksfall war, dass einige Feuerwehren zum Zeitpunkt der Alarmstufenerhöhung noch auf der Rückfahrt von einem morgendlichen Brand in Weissach waren. Sie konnten so direkt nach Holzgerlingen weiterfahren und sehr schnell an der Einsatzstelle eingesetzt werden. Hierunter fielen auch der ELW 2 und die Führungsgruppe des Landkreises Böblingen. Schon kurz nach Beginn des Einsatzes konnte eine der Lage angepasste Führungsstruktur aufgebaut und die Einsatzstelle organisiert werden. So nahm die Führungsgruppe bereits um 9.49 Uhr unter der Leitung des stellvertretenden Kreisbrandmeisters Rainer Just ihre Arbeit zur Unterstützung des örtlichen Kommandanten auf.
Zeitgleich stand gegen 9.49 Uhr, trotz aller Bemühungen, der Hallenteil 1 in Vollbrand. Aufgrund der enormen Wärmeentwicklung, der Vorbrandzeit und der baulichen Gegebenheiten konnte nicht verhindert werden, dass sich der Brand weiter auf die Gebäude des Dach- & Fassadenbauers ausbreitete. Der enorme Wasserbedarf durch den massiven Löschangriff konnte nicht vollständig durch das öffentliche Wassernetz gedeckt werden. Daher wurden umliegende Löschteiche als zusätzliche Wasserquellen bestimmt und durch den Abschnittleiter Wasserversorgung eingerichtet. Hierunter fiel zunächst der Teich eines gegenüberliegenden Anlagenbauers. Des Weiteren wurden bis zu vier B-Leitungen parallel von einem Löschteich in 550 Meter Entfernung und von einem rund 1.400 Meter entfernten Hochbehälter im benachbarten Breitenstein verlegt. Um die vorausschauende Planung abzurunden, wurden vorsorglich noch zwei trockene Reserveleitungen zum Löschteich eines Automobilzulieferers in rund 950 Meter Entfernung verlegt. Mit jedem weiteren eintreffenden Löschfahrzeug konnten Löschangriff und Riegelstellungen intensiviert werden. Man wollte unbedingt das Übergreifen der Flammen auf die benachbarte Lagerhalle sowie auf das angebaute Wohnhaus verhindern. Die hohe Brandlast innerhalb der Hallenteile 1 und 2 begünstigte die weitere schnelle Ausbreitung des Feuers, sodass gegen 10.40 Uhr die gesamte Halle in voller Ausdehnung brannte. Zu diesem Zeitpunkt drohte das Feuer auch akut auf das Wohnhaus überzugreifen, der Bürotrakt fiel bereits den Flammen zum Opfer.
Phase 2: Erhohung auf „4bi“ (10.46 – 13.05 Uhr)
Um 10.46 wurde die Brandstufe ein weiteres Mal erhöht, diesmal auf 4bi. In diesem Moment übernahm Kreisbrandmeister Guido Plischek die Einsatzleitung. Die Einsatzstelle war in der Zwischenzeit bereits in sieben Unterabschnitte eingeteilt worden:
• Abschnitt 1 galt der Brandbekämpfung der Lagerhalle.
• Abschnitt 2 beschäftigte sich mit der Brandbekämpfung und Riegelstellung zur Halle des Lagerdienstleisters.
• Abschnitt 3 kümmerte sich um den Schutz des Wohnhauses, und
• Abschnitt 4 war für den Schutz der westlichen Gebäude zuständig.
Des Weiteren gab es die Abschnitte Bereitstellungsraum, Wasserversorgung und Versorgung/Atemschutzpool. Neben der Nachforderung weiterer Sonderfahrzeuge musste aufgrund der Hitze und der andauernden Löschmaßnahmen frühzeitig der Austausch der erschöpften Atemschutzgeräteträger organisiert werden. Daher wurden weitere Feuerwehren alarmiert, ohne dabei aber den Landkreis „auszubluten“. Zudem alarmierte man Feuerwehren, die Bereitschaften in den eigenen oder in ihnen zugeteilten Feuerwachen stellten, um so den Grundschutz in den betroffenen Gebieten sicherstellen zu können.
Von den zwischenzeitlich eingetroffenen Fahrzeugen wurde der TM-23 aus Ehningen südlich positioniert und unterstützte bei der Riegelstellung zum Wohnhaus. Die Drehleiter aus Sindelfingen und der TM-42 der Werkfeuerwehr Daimler übernahmen den Angriff von der Westseite aus. Die Wechselladerfahrzeuge mit AB Wasser und AB Sonderlöschmittel (F500) wurden ebenfalls den einzelnen Abschnitten zugewiesen. Leider währte der Angriff des TM-42 nicht lange, da dieser nach kurzer Zeit aufgrund eines Defekts an der Wasserzuleitung zum Korb ausfiel. Hier bot die zu diesem Zeitpunkt bereits mit einem WLF anwesende Feuerwehr Tübingen ihre Drehleiter an, welche dann anstelle des TM-42 positioniert wurde. Im weiteren Brandverlauf kam es um 11.33 Uhr zu einem Teileinsturz der beiden Hallenteile des Dach- und Fassadenbauunternehmens sowie der Überdachungen im Bereich des Brandausbruchs, was allerdings keine weiteren Auswirkungen auf das Vorgehen der Einsatzkräfte hatte. Die Löschmaßnahmen liefen unvermindert fort.
Phase 3: Konzentration auf den Innenangriff (13.06 – 17 Uhr)
Bei diesem Einsatz zeigte sich erneut die hervorragende Zusammenarbeit aller Hilfsorganisationen. So übernahmen z. B. die DRK-Ortsvereine Holzgerlingen und Steinenbronn die Versorgung aller Einsatzkräfte mit Getränken und Essen, und der OV Weil im Schönbuch unterstützte bei den Maßnahmen vor Ort. Teilweise spendeten auch ortsansässige Geschäfte den Einsatzkräften süße Stückchen. Das THW OV Böblingen kümmerte sich um die Beschaffung und Verteilung der Betriebsstoffe und sonstigen Materialien für Löschfahrzeuge und Tragkraftspritzen. Alle arbeiteten hier unkompliziert und reibungslos zusammen.
Nachdem der Außenangriff Erfolg zeigte und ein Übergreifen auf benachbarte Gebäude weitgehend verhindert werden konnte, war es nun möglich, den eigentlichen Brand gezielt einzudämmen. Auch die Trupps im Wohnhaus leisteten ganze Arbeit. So konnte im ersten Obergeschoss mittels einer Brandbekämpfung über den Treppenraum das bereits in einen Teil einer Wohnung eingedrungene Feuer zurückgeschlagen werden. Des Weiteren verschaffte sich ein Trupp über tragbare Leitern Zutritt in das bereits stark thermisch aufgeladene Dachgeschoss. Durch die damit verbundene Wärmeabfuhr konnte auch hier Schlimmeres verhindert werden.
Ab 13.06 Uhr wurde der Außenangriff sukzessive zurückgefahren und man konzentrierte sich auf den Innenangriff soweit es gefahrlos möglich war, da die Halle weiter einzustürzen drohte. Nach vier Stunden entspannte sich die Lage, sodass gegen 13.37 Uhr die Brandstufe auf „3bi“ zurückgestuft werden und der Holzgerlinger Kommandant Albrecht Schmid wieder die Einsatzleitung übernehmen konnte. Der Brand war nun unter Kontrolle. Aufgrund der Schadenslage kamen auch der Beigeordnete der Stadt Holzgerlingen, Ioannis Delakos, sowie Landrat Roland Bernhard zur Einsatzstelle, um sich vor Ort selbst ein Bild der Lage machen zu können. Da eine Gefährdung der Bevölkerung durch Schadstoffausbreitung in der Luft nicht ausgeschlossen werden konnte, rief man über Radiodurchsagen dazu auf, Fenster und Türen geschlossen zu halten. Zur Überwachung der Schadstoffe in der Umgebungsluft wurden verschiedene Messpunkte rund um die Einsatzstelle eingerichtet. Die regelmäßig durchgeführten Messungen ergaben keine erhöhten Werte.
Die Löschmaßnahmen wirkten, die Einsatzlage entspannte sich weiter. Gegen 14 Uhr konnten nach und nach die überörtlichen Wehren aus dem Einsatz herausgelöst und um 14.20 Uhr konnte die Brandstufe erneut zurückgestuft werden. Es war jedoch klar, dass der Einsatz noch viele Stunden lang andauern würde. Man löste daher erste Einsatzkräfte der Feuerwehr Holzgerlingen ebenfalls aus dem Einsatz heraus, um ihnen ein paar Stunden Ruhe zu gönnen, bevor sie dann wieder in den Einsatz und die Nachlöscharbeiten eingebunden werden sollten.
Phase 4: Nachlöscharbeiten und Brandwache (Samstag 17 bis Sonntag 21 Uhr)
Nachdem der eigentliche Brand gelöscht war, begannen die Nachlöscharbeiten. Aufgrund der großen Menge an Brandschutt und der Tatsache, dass die Hallenteile nicht mehr betreten werden konnten, musste mit einem Wiederaufflammen des Brandes gerechnet werden. Um dem entgegenzuwirken, wurden um 17 Uhr alle Einsatzkräfte der Holzgerlinger Wehr in Brandwachen eingeteilt. Die erste Brandwache bestand aus zwei Löschgruppen von 17 bis 22 Uhr. Die zweite Brandwache von 22 bis 2 Uhr und die dritte Brandwache von 2 bis 6 Uhr bestanden jeweils aus einer Löschgruppe. Da bis zum Ende der Brandwachen die Flammen immer wieder aufloderten, wurden am Sonntag weitere Brandwachen von 6 bis 11 Uhr sowie von 11 bis 15 Uhr angesetzt, die allerdings nur noch mit jeweils einer Staffel besetzt waren. Bei der um 15 Uhr durchgeführten Kontrolle des Brandobjekts durch den Kommandanten und seine Stellvertreter konnten keine weiteren Auffälligkeiten mehr festgestellt werden, sodass die Brandwachen nach einem fast 30-stündigen Einsatz aufgelöst werden konnten.
Nach Abschluss der Aufräumarbeiten wurde um 15.30 die Einsatzstelle der Kriminalpolizei für die weiteren Ermittlungen übergeben. Seitens der Feuerwehr Holzgerlingen erfolgten zwei weitere Nachkontrollen mit der Wärmebildkamera, um eventuell verbliebene und aufflammende Glutnester zu entdecken. Gegen 21 Uhr wurden auch diese Maßnahmen abgeschlossen und der Einsatz endgültig beendet.
Nachbetrachtung
Man kann von Glück im Unglück sprechen, dass der Brand an einem Wochenende ausgebrochen war: So waren das unter der Woche stark von Auto- und Lastwagenverkehr frequentierte Industriegebiet wie auch die Parkflächen der örtlichen Betriebe relativ leer. Auch war das notwendige Personal über viele Stunden hinweg besser verfügbar, als es an einem Arbeitstag der Fall gewesen wäre. Die Größe und Dauer des Einsatzes wie auch die hochsommerlichen Wetterbedingungen sorgten für einen hohen Bedarf an Personal, Einsatzmitteln wie auch an Versorgung der Einsatzkräfte: Eine besondere Aufmerksamkeit und ein Zeichen der Wertschätzung des unermüdlichen Einsatzes war die spontane Einladung aller beteiligten Einsatzkräfte ins Holzgerlinger Freibad durch das Landratsamt Böblingen und die Stadt Holzgerlingen: Unter dem Motto „Heißer Einsatz erfordert Abkühlung!“ gab es am darauffolgenden Samstag neben dem Sprung ins kühle Nass auch ein kostenloses Getränk für jeden.